Es begab sich zu der Zeit, als sich viele WinzerInnen in den 1990ern an den sogenannten „internationalen Rebsorten“ aufarbeiteten.
Die Triebaumers waren beim Cabernet-Merlot-Komplex vergleichsweise Spätzünder – bei allen „anderen“ aber praktisch immer die Ersten.
Zwar wurden Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot schon 1894/95 von der Johannesrebschule in Ödenburg angeboten – dazu liegt und sogar eine Originalpreisliste vor – allerdings brauchte es weitere zirka 90 Jahrgänge nach der Reblausaufarbeitung, bis die Bordeauxsorten die Gunst von Produzenten- und Konsumentenschaft erlangte.
Die unheilvolle Welle der Phylloxera vastatrix nahm an Gironde und Garonne ihren Ursprung in Kontinentaleuropa und brauchte somit etwa zwanzig Jahre, um im burgenländischen Raum ihr Vernichtungswerk anzurichten.
Und an Bordeaux orientierte sich Weinbaueuropa in der Aufarbeitung inklusive Sortenwahl.
Spekulativ gesagt: Hätten die Leute damals unsere heutigen logistischen Möglichkeiten gehabt, wäre vielleicht auch ein Syrah von der Rhône ein Nebbiolo aus dem Piemont oder eben ein Tempranillo von der iberischen Halbinsel früher im Fokus gestanden.
So aber kamen die „üblichen Verdächtigen“ zum Zug – in Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Norditalien, etc.
Bei den Triebaumers ist die Weggabelung zwischen „Ausprobieren“ und „Schau ma mal“ eine sehr unsymmetrische vergleichbar mit einer mehrspurigen Autobahn und einem Begleitweglein.
So kam es auch, bedingt durch eine Barolo- und Barbarescoverkostung zur Weihnachtsfeier 1986, zum Entschluss, dem Thema Nebbiolo näher auf den Grund zu gehen. Gesagt, getan! Zu dieser Geschichte folgt übrigens noch ein eigener Blogbeitrag.
1990 bekam Günter Triebaumer ein Reisestipendium der Weinakademie Burgenland nach Südafrika. Sogleich wurde generationenübergreifend einvernehmlich dekretiert: Von dort wird Syrah/Shiraz mitgenommen.
Dem gestrengen Phytosanitärgesetz völlig abhold, erfolgte gekonnt die Umsetzung. Das mitgebrachte Edelreisermaterial wurde umgehend per Zungenschnitt auf einen damals schon 35-jährigen ursprünglichen Rebsorte Frühroter Veltliner Weingarten in der kleinen Eden aufgepfropft und mit flüssigem Paraffin aus einem zweckentfremdeten Fonduetopf gewachst.
Die Anwachsrate von 95% ist heute noch legendär und unübertroffen. Als i-Tüpfelchen und Ergänzung erwiesen sich auch ein paar Reben von Pinotage. Nach der ersten Syrahernte 1993 kam es zur Beantragung einer Sondergenehmigung für Syrah und Nebbiolo. Die dafür zuständige Landwirtschaftskammer lehnte dreimal ohne Angabe von Gründen ab.
Paul Triebaumer schrieb also einen Brief an den damaligen Agrarlandesrat Paul Rittsteuer, was ihm lieber sei: Bauern, die auf eigenes Risiko international renommierte Sorten ausprobieren, oder solche, die abwechselnd wegen Frost, Dürre oder Überertrag demonstrieren. Genehmigung erteilt.
Die ausführende Behörde in der Abteilung 4A der Burgenländischen Landesregierung ließ daraufhin von einem „Sachbearbeiter“ anrufen, um zu fragen, ob denn Nebbiolo ein „Roter“ oder ein „Weißer“ sei. Man denke an die allzu seltenen weißen Baroli!
Damit war das Fass der staatsbürgerlichen Zurückhaltung aber auch endgültig zum Überlaufen gebracht worden.
1994 schickte Günter Triebaumer zehn Faxnachrichten an die am interessantesten beschriebenen Rioja-Betriebe aus Slow-Food-Weltweinguide.
Das Anliegen? Die Bitte um Zusendung von Tempranillo-Rebsetzlingen. Unglaublicherweise kamen tatsächlich vier Sendungen mit dem begehrten Material an!
Im selben Jahr erfolgte die Auspflanzung von Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot in der Ruster Ried Kraxner, vierte Höhenstufe, Tegel auf Schieferverwitterung, 0,9 Hektar, 13 Reihen, mit drei Kurven, also altes Weinbaugebiet.
Der versierte Rebenvermehrer Paul Triebaumer hat alle Pflanzreben selbst hergestellt und offenbar hervorragendes Edelreisermaterial zur Verfügung gehabt, wie sich späterhin herausstellte.
Zudem zog er auch alle Register der Unterlagsreben, wobei sich in der langjährigen Nachbetrachtung die gute alte Kober 5 BB als Beste herausstellt.
Jede Sorte auf jeder Unterlagsrebe – das Ganze stilgerecht dokumentiert auf einem flach gemachten ehemaligen Schuhkarton – der berühmt „Ewige Plan“!
Das Jahr 1997 brachte dann die erste Ernte: Moderat im Klimaverlauf, perfektes Lesewetter, eine Freude. Nach der Vinifikation stellte sich erneut Zufriedenheit ein, denn der junge Wein zeigte gute Anlagen.
Dann kam schön langsam die Frage auf: „Wie nennen wir ihn denn?“
Günter Triebaumer hatte einige Jahre Latein in der Schule, französische Namen waren sehr angesagt, die Flut der Anglizismen war im Anrollen begriffen.
Als erstes etablierte sich „Viribus unitis“ als Favorit. Nun. Ein altösterreichisches Schlachtschiff, das es länger nicht mehr gab. Außerdem war der Name schon besetzt. An dieser Stelle die besten Grüße an Josef Terleth, Norbert Kofler und Andi Sölva – drei echte Südtiroler Mander!
Ebenjene drei Freunde, die in der Versuchsanstalt und Landesweingut Laimburg wirken, verhalfen uns zu Lagrein, Petit Verdot und Tannat. Letztlich fiel die Wahl auf das simple, aber selbsterklärende „Weite Welt“ Und so ist es heute noch.
Im Jahr darauf folgten Teroldego, quasi als Referenz an Elisabetta Foradori am Trentiner Rofiliano-Hochplateau.
Noch ein Jahr später dann eine Südamerika-Reise, da war Regina schon längst mit von der Partie. Das Mitbringesl: Carménère!
Die Zinfandelreben von Ridge Mountain erwiesen sich als zu optimistisch und wurden elf Jahre nach der Pflanzung wegen institutioneller Unreife wieder gerodet.
Die Wuchs- und Geschmackseigenschaften der einzelnen Sorten detailliert zu erläutern würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen und werden in der Folge niedergeschrieben.
Als kurzes Fazit sei festgehalten: Die Weite Welt ist ein Cabernet-Cuvée mit Syrah und etwas Merlot, sowie je nach Jahrgang und Sonderabfüllungen sechs bis sieben „Ergänzungssorten“. Dunkel, dicht, fest strukturiert und dementsprechend haltbar, sowie obendrein noch recht erfolgreich. Unikal auf dieser Welt!
Hier geht es zum Vinaria Bericht über unsere 25 Jahre Weite Welt Vertikale.