Bis vor wenigen Jahrzehnten hieß der Obere Wald noch „Große Maiß“, was eindeutig auf eine große Waldung mit entsprechender Fauna, wie Wildschweinen hinweist. Auf den alten Riedenkarten ist der Obere Wald gemeinsam mit dem Kleinen Wald (im Volksmund auch „Unterer Wald“) auch tatsächlich als solcher eingezeichnet und ausgewiesen.
Erst in Zeiten des aufkommenden raffinierten Zuckers waren die mit Süßweinen zu Geld und Ansehen gekommenen Ruster gezwungen gewesen, mit trockenen Weiß- und Rotweinen zu ihrem Auskommen beizutragen. Dies erforderte eine massive Ausweitung der Weinbauflächen auf Kosten der Baumgärten (Rieglband und Bandkräftn), Hutweiden (Umriss) und Waldflächen (Oberer Wald und Kleiner Wald). Grob datiert startete diese Entwicklung Mitte des 18. Jahrhunderts.
Was den Boden anbelangt, darf der Obere Wald mit Fug und Recht als kalkigste Ruster Lage bezeichnet werden. Er besteht hauptsächlich aus Kalksandstein mit Resten von Muscheln und Korallen durchzogen von dünnen, meist schräg liegenden Mergelschichten. Gut drainiert und sehr skelettreich.
Alle, die sich die Mühe, respektive das ausgesprochene Vergnügen machen, eine Obere-Wald-Parzelle nach einer erfolgten maschinellen Bodenbearbeitung zu durchmessen, werden mit Sicherheit die eine oder andere Muschel oder deren Abdruck finden. Hier war einmal ein Sandstrand des uralten Pannonmeeres – ein faszinierender Gedanke!
Schnurgerade, bis zu 470 Meter lang und in Fallrichtung über drei Geländewellen sich nach Süden hinziehend, so liegt er prächtig vor den betrachtenden Augen. Der Obere Wald!
Mit geringer Humusauflage fordert diese Prunklage die Reben förmlich dazu auf, die Wurzeln immer tiefer in das Kalkgestein zu treiben. Die maschinelle Bearbeitung wird mit dem Geländeanstieg wegen der zusätzlichen Hangneigung zum See hin immer schwieriger, weil eben schräg in zwei Richtungen. Aus diesem Grund finden sich in „Oberer Wald oben“, der größeren unserer beiden Parzellen, sogar einzelne Längsterrassen zur besseren Traktorgängigkeit und Erosionsvermeidung.
Unsere 1,71 Hektar Oberer Wald teilen sich auf zwei Einzelparzellen auf: Den „Oberen Wald unten“ (= OWu) mit 0,55 Hektar und den rund 150 Meter weiter oben, sprich westlicher, liegenden „Oberen Wald oben“ (OWo) mit dementsprechend 1,16 Hektar. Ein klassischer Fall von betriebsinterner Riedennomenklatur.
Der Obere Wald ist einerseits durch die Hügelkuppe im Norden vor kalten Winden von der Hauptwetterseite Nordwest geschützt und wegen der speziellen Topografie trotzdem gut durchlüftet durch thermische Luftzirkulation, die vom Klimaregulator See ausgeht. Zwischen den drei Geländerücken sammelt sich die humose Erde und gleicht somit die unendliche Kraft und Dichte der Trauben von den angesprochenen Kalk-„Riegeln“ wieder ein wenig aus. Das nennt man das Paradoxon des Oberen Waldes: karg und südgewandt und trotzdem von kühler Fruchtpräzision. Eben anders als von den Umständen erwartbar.
Schön, wenn man sowas haben darf!
Wo früher also die Wildschweine „maissten“ – also fraßen – und suhlten, wachsen heutzutage einige der besten Blaufränkisch-Weine des Burgenlandes und damit der Welt.
Die schnurgerade Reihenführung spricht eindeutig für eine im Ruster Riedenkanon jüngere Lage, weil ohne „burgundische“ Kurven und Biegungen (siehe Blogbeitrag Plachen).
Unsere Betriebshistorie am Oberen Wald datiert erst auf das Jahr 2004, also das Jahr der Betriebsübernahme zurück. Damals fädelte Vater Paul Triebaumer einen Grundstückstausch ein, bei dem die Triebaumers eine günstig gelegene Parzelle in der ebenfalls sehr kalkgeprägten Lage Umriss gegen die Obere-Wald-Parzelle tauschten. Ein genialer Deal!
2007 erwarben wir dann die beiden OWo-Parzellen. Hier wäre noch anzuführen, dass bei der Aufteilung des Oberen Wald vor circa 270 Jahren die Grundstücksgrößen mit je mehr als 0,5 Hektar für damalige Kleinbauernverhältnisse recht groß ausfielen.
2005 (OWu) und 2007 (OWu) erfolgte dann die Neuauspflanzung der Grundstücke. Die untere Parzelle war vorher mit Ruländer und Neuburger bepflanzt und wurde vom Vorbesitzer noch gerodet. Beim größeren oberen Grundstück waren die beiden Einzelparzellen bereits seit rund 20 Jahren eine Grünbrache mit zwei mächtigen, aber schon recht mitgenommenen Herzkirschenbäumen.
Die Bäume wurden also gefällt und ausgegraben. Die Stämme lagern heute noch fachgerecht aufgestapelt am Dachboden des Betriebsstadels und sollen eher zeitnah zu einem doch tendenziell beeindruckenden Wohnzimmertisch weiterverarbeitet werden. Danach beauftragten wir den Baumeister unseres Vertrauens mit der Anlage der Längsterrassen.
Als Pflanzgut gab es natürlich keine Alternative zur Mutter all unserer Blaufränkisch-Auspflanzungen: den Edelreisern von der guten, unersetzlichen, alten Plachen (siehe abermals Blogbeitrag Plachen). Veredelt und hergestellt von einer der besten Rebschulen Europas, wachsen die Blaufränkisch-Reben seither einer großen Zukunft entgegen.
Mit der ersten richtigen Ernte 2009 ging es auch gleich mit der Trophäenrally los: Sieg Falstaff Reserve Trophy. Der Jahrgang 2013 holte dann auch die Vinaria Reserve Trophy. 2016 Sieg Wein Pur Reserve Trophy. Um nur drei zu nennen.
Gemeinsam mit der völlig kalkfreien Plachen (Lehm auf Schieferverwitterung) als Antagonisten und der Blaufränkisch Reserve als Synthese ergibt der Obere Wald dann schon ein kräftiges Ausrufezeichen für die Ruster und vor allem Triebaumersche Blaufränkisch-Vehemenz!